Ebenso wie in Bornim kam der Königlich Preußische Hoforgelbaumeister Wilhelm Sauer (1831-1916) auch in Eiche zum Zuge und errichtete sein Opus 350. Er wurde hier allerdings gefördert durch das Kronprinzenpaar, dem späteren 99-Tage Kaiser Friedrich III und seiner Gemahlin, die später als Kaiserin Friedrich titulierte Victoria von Großbritannien und Irland.
Das Kronprinzenpaar stattete der Kirche öfter einen Besuch ab. Auf dessen Wunsch wurde die Dorfkirche Eiche nach Norden hin erweitert, der Innenraum entsprechend verändert und die Empore vergrößert sowie eine neue Umfriedungsmauer gebaut. Nun war auch Platz für die schon lange geplante Orgel. Am 30. Januar 1882 gab der Musikdirektor und Professor Julius Schneider in seinem „Superrevisions-Bericht“ eine Stellungnahme zugunsten des Hoforgelbaumeisters Sauer ab. Sein Angebot entspräche den beengten räumlichen Verhältnissen am besten und „sein vorzügliches Material und eine solide kunstgemäße Ausführung“ habe sich „rühmlichst bewährt“.
Als Gesamtkosten für die Orgel wurden 1.944,- Mark berechnet. (Um eine ungefähre Relation des damaligen zum heutigen Geldwert zu veranschaulichen, sei der Hinweis gegeben, dass im Jahr 1882 1 kg Roggenbrot 0,26 Mark, heute 3,05 Euro / Stand 2019, kostete.) Zwar stellte das Oberpräsidium der Provinz Brandenburg am 27. Februar 1882 entsprechende Mittel zur Verfügung, jedoch sollte die Gemeinde die Hälfte der Kosten selbst tragen, was sie zu diesem Zeitpunkt nicht konnte, ohne große Schulden aufzunehmen. Dem amtierenden Pfarrer Pietschker kam die Idee, den Geldgebern des Orgelbauprojekts neben der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinde den Hinweis zu geben, dass der Einbau der Orgel in die friderizianische Dorfkirche von Eiche auf ausdrücklichen Wunsch des Kronprinzenpaares erfolge.
Nun ging es Schlag auf Schlag: Ein Vertrag „Zwischen dem Königlichen Bauinspektor Gette zu Potsdam im Namen des königlichen Fiskus und dem Orgelbaumeister Sauer zu Frankfurt a/O unter Vorbehalt der Genehmigung der Königlichen Regierung zu Potsdam“ wurde am 2. März 1882 abgeschlossen mit dem Ziel der Fertigstellung der Orgel bereits (!) am 20. März 1882. Der Vertrag wurde am 31. März 1882 von der Königlichen Regierung genehmigt und schon drei Monate später am 4. Juli 1882 wurde in einem Bau-Abnahme-Attest bestätigt, dass die Orgel den an sie gerichteten Anforderungen entsprechen würde. Die Finanzierung ist inzwischen auch gesichert, da die Intervention von Pfarrer Pietschker erfolgreich war: Die Gemeinde zahlt nichts, da die eine Hälfte der Kosten durch die Verwaltung, die andere aus der kronprinzlichen Schatulle übernommen wurde.[RR1]
Orgelbau:
Über den Altar, mit der Galeriebrüstung verbunden, stellte Wilhelm Sauer ein kleines Orgelwerk mit fünf Registern, einem Manual und Pedal. Im Gegensatz zu anderen Orgeln, die im ersten Weltkrieg geplündert wurden, blieb die Eicher Orgel verschont. Grund war angeblich die englische (blau und rot) Farbgebung der Prospektpfeifen, die höchstwahrscheinlich auf das Kronprinzenpaar zurück zu führen ist.
Es handelt sich um eines der wenigen nahezu unverändert erhaltenen Instrumente von Wilhelm Sauer. Außerdem ist es eine der letzten Orgeln, die noch mit mechanischen Kegelladen ausgestattet ist, während der berühmte Orgelbauer bald darauf ausschließlich pneumatische Systeme verwendete. Hinzu kommt eine weitere technische Besonderheit, das sogenannte „Collectiv-Pedal“. Im Abnahmebericht des Musikdirektors Julius Schneider (1805-1885) vom 11. Mai 1882 wird diese Einrichtung der Orgel so beschrieben:
„[…] Eine neue patentirte Erfindung des wackeren p. Sauer, das sogenannte Collectiv-Pedal, gewährt hervorragenden Vortheil, aus gedachten Solostimmen mit vielfach wachsenden Registrierungen ausführen zu können, da sie gestattet, jede später zu benutzende Nuanzen [!] schon im Voraus festzustellen und andauernd zu verwenden, oder zu früheren zurückzukehren. Das hier zuerst ausgeführte Patent ist eine der hervorragendsten Neuerungen im Orgelbaufache, wozu dem strebsamen Künstler von Herzen zu gratulieren ist, und sich erhoffen läßt, daß es in kürzester Zeit die ausgedehnteste Verbreitung finden werde. […]“ (BLHA, Rep. 2 A II Osthavelland Nr. 450, fol. 11f.)
Der Klang ist ob der geringen Größe der Orgel erstaunlich voll und wohlklingend.
Heute:
Die letzte große Restaurierungs- und Reparaturmaßnahme fand im Jahr 2010 statt. Der bürokratische und finanzielle Aufwand (12.143,46 € ) war für die kleine Gemeinde erheblich. Ein seit 2016 bestehender Orgelpflegevertrag mit der Orgelbaufirma Schuke aus Werder regelt im zweijährigen Rhythmus die Wartung der Orgel, verhindert das Entstehen größerer Schäden und sorgt für ein einheitliches Klangbild über die verschiedenen Jahresläufe hinweg. Wie auch bei den anderen Orgeln der Nordregion kann die Orgelpflege nur durch finanzielle Unterstützung von außen geschehen.
Nähere Informationen zur Orgel, sowie zur friderizianischen Dorfkirche von Potsdam-Eiche findet man bei:
Eberhard Kapuste (Hrsg.), Chronik der evangelischen Kirchgemeinde Eiche (Potsdam 2012²(?)).
Ortsbeirat Eiche (Hrsg.), Ortsgeschichte von 1929 bis 1950 aus der Sicht von Eichener Lehrern (Großbeeren 2013 (?)).
Disposition:
1. Subbass 16‘
2. Principal 8‘
3. Gedackt 8‘
4. Salicional 8‘
5. Gemshorn 4‘
Rüdiger Renisch (Gemeindeglied in Eiche)