13.06.2022
Frau Dr. Brigitte Grell wird am 16. Juni 100 Jahre
Wir waren 1968 zusammen auf einer Tagung des Weißenseer Arbeitskreises, den Generalsuperintendent Schönherr ins Leben gerufen hatte, um einen anderen Kurs für die Kirche im Sozialismus zu suchen, als ihn der kämpferische Bischof Dibelius damals fuhr. Da sprach mich Brigitte Grell an. Die Pfingstgemeinde suche einen Pfarrer. So kam ich nach Potsdam. Und seitdem sind wir mit Frau Dr. Grell verbunden. Sie war damals schon im Gemeindekirchenrat der Pfingstkirchengemeinde und ist es bis 1983 geblieben. Lange Zeit hatte sie auch den Vorsitz inne. Das war ein Gewinn! So hatte ich eine Mitstreiterin in dem eher traditionell geprägten GKR. Die Kirchen- und Gemeindegebäude von "Pfingst" waren eine Enklave, von Russenzäunen umgeben. Die antikirchliche Politik der SED trug Früchte. Die Zahl der Gemeindeglieder sank. Dennoch ist die Pfingstkirchengemeinde eine familienfreundliche und lebendige Gemeinde geblieben. Die Organistin Frau König spielte die Orgel, Schwester Renate versorgte die Kranken und der Kindergarten blühte dank der Energie von "Tante Dorle". Da brauchte es einen arbeitsfähigen Gemeindekirchenrat. Und der konnte sich auf die kluge, nüchterne und trotzdem zuversichtliche Stimme von Frau Dr. Grell verlassen. Durch ihre Arbeit als Redakteurin und Herausgeberin der "Potsdamer Kirche" hatte sie einen weiten Horizont und bereicherte die Sitzungen mit ihren Informationen. Bis 1984 hatte sie diesen verantwortungsvollen und nicht einfachen Posten bei der "PoKi". In der DDR eine kirchliche Wochenzeitung herauszugeben war oftmals ein Drahtseilakt. Schon beim Probedruck erhob ein stattlicher Kontrolleur erste Einsprüche. Und vor der Herausgabe ging jede Nummer durch eine strenge Zensur. Es war auch schwer vorauszusehen, was bei den Zensoren Anstoß erregen könnte. Es konnte etwa moniert werden, wenn ein Redakteur davon schrieb, dass Menschen in Angst und Sorge seien und Trost brauchen. Ein DDR-Bürger müsse keine Angst und Sorge haben! Oft mussten ganze Abschnitte verändert werden, und wenn ich mich recht erinnere, ist sogar einmal eine ganze Ausgabe eingestampft worden. Dennoch war es eine Labsal, wenn jede Woche eine Zeitung aus kirchlicher Perspektive und mit einem anderen Duktus als die weithin gleichgeschaltete Presse im Briefkasten landete. Diesen Drahtseilakt jede Woche mit einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern zu meistern war das Verdienst von Brigitte Grell. Ihre Stilsicherheit und ihr weiter Bildungshorizont waren dabei unverzichtbar. Die Erinnerungen der gebürtigen Potsdamerin reichten dazu bis zu ihrer Konfirmation in der Garnisonkirche und den Zeiten des Kirchenkampfes der Nazizeit. Auch nach ihrem Ausscheiden aus der Redaktion 1984 blieb sie aktiv. Aus dem Leben der Pfingstkirchengemeinde war sie nicht wegzudenken. Als Ergänzung der Kinder- und Elternarbeit gründete sie einen "Berufstätigen Kreis", in dem viele der Alleinstehenden Anregung und Zusammenhalt fanden. Gemeinsam mit Frau Führ organisierte sie nach der Wende unter dem Dach von "Biblisch Reisen" Fahrten nach Israel, Jordanien und Kreta. Ich und manche andere haben ihr viel zu verdanken. Wenn man auf ein so reiches Leben zurückblicken kann, kann man getrost hundert werden. Herzlichen Glückwunsch! Pfarrer i.R. Fritz Dorgerloh